Etikette im Queeren Zentrum Kassel
Im Queeren Zentrum Kassel treffen im besten Fall unterschiedliche Personen mit ihren Perspektiven aufeinander und tauschen sich aus. Damit die gemeinsame Zeit für alle Beteiligten möglichst angenehm verläuft haben wir die folgenden Regeln für unser Miteinander ausgearbeitet. Diese Regeln gelten für Mitglieder und Besucher*innen ebenso wie für Haupt- und Ehrenamtliche im Queeren Zentrum. Diese Regeln werden regelmäßig überprüft und angepasst. Dieser Prozess kann sowohl intern als auch durch externe Personen angestoßen werden.
Wir sind alle sind für unser gemeinsames Miteinander verantwortlich.
Kein Ort ist immer für alle großartig. Dennoch wollen wir so respektvoll und konstruktiv wie möglich miteinander agieren. Relativ selbstverständlich sollte es dabei sein, die Räume sauber und ordentlich zu halten und das Zentrum mindestens so zu hinterlassen, wie wir es vorgefunden haben.
Wir beachten und reflektieren wir die individuellen und strukturellen Macht- und Hierarchieverhältnisse zwischeneinander, aber auch mit Blick auf die Zentrumsstrukturen. Wir übernehmen Verantwortung für unser Verhalten und unsere Aussagen. Wir achten darauf mit unserem Verhalten oder Aussagen oder dem Verhalten oder Aussagen unserer Gruppe im Rahmen des queeren Zentrums nicht die Existenz des Queeren Zentrums zu gefährden.
Wir reflektieren unsere Bedarfe und Bedürfnisse und teilen diese klar mit, um abzufragen, ob diese durch die Anwesenden oder das Queere Zentrum gedeckt werden können. Besonders wichtig ist dabei ein sensibler und konstruktiver Umgang mit Triggern und weiteren zwischenmenschlichen Barrieren. Dabei verpflichten wir aber NICHT unabgesprochen (andere) marginalisierte Personen uns zu deren Erfahrungen und Realität weiterzubilden. Wir sprechen aufmerksam und achtsam miteinander und reflektieren unser Redeverhalten. Uns ist klar, dass keine Kommunikationsform missverständnis-sicher ist und bemühen uns, unser Gegenüber zu verstehen.
Wir wollen Verständnis und Geduld miteinander haben.
Wir treffen Menschen da, wo sie sind. Das heißt wir erwarten voneinander kein Vorwissen. Wir befinden uns alle in einem stetigen Lern- und Verlernprozess, der niemals abgeschlossen ist. Wir müssen aber auch nicht alles aushalten. Menschen haben unterschiedliche Fähigkeiten, Energie und Kapazitäten. Das wollen wir nicht bewerten. Dazu gehört auch, dass wir alle unterschiedlich lange für bestimmte Sachen brauchen.
Unabsichtliche Fehler machen wir alle manchmal. Auf Fehler darf und soll respektvoll hingewiesen werden. Wenn wir Menschen verletzen, übernehmen wir Verantwortung dafür.
Wir respektieren Selbstdefinitionen.
Wir können Menschen ihre Positionierung (z.B. Geschlecht, Behinderung) nicht ansehen, daher respektieren wir deren Selbstdefinitionen. Dazu gehört, dass wir sensibel über- und miteinander sprechen und Pronomen und Namen respektieren.
Wir beachten die Grenzen anderer.
Nein heißt nein, nur (ein informiertes) ja heißt ja.
Wir beachten und respektieren die Grenzen anderer. Darin sind emotionale Grenzen eingeschlossen. Das heißt unter Anderem auch, dass wir die Pronomen und Namen von Menschen respektieren. Wir freuen uns deshalb, wenn Menschen sich mit Namen und Pronomen vorstellen.
Umgang miteinander basiert immer auf Konsens und Absprachen. Das gilt für jeglichen Körperkontakt, zum Beispiel auch für das Anfassen von Kleidung, Haaren etc.. Auch emotionale Grenzen werden besprochen. Das Gleiche gilt für unsere Inhalte und unseren Tonfall (z.B. nicht übermäßig freundschaftlich, wenn das nicht vorher abgesprochen wurde).
Wir kommentieren die Körper und das Aussehen von Menschen nicht ungefragt. Wir fragen nach, ob Menschen Komplimente gut finden.
Es gibt kein grundsätzliches Verbot von Nacktheit im Zentrum. In einzelnen Formaten kann das aber anders abgesprochen sein. Falls bei Formaten Nacktheit zu erwarten ist, wird vorher darauf hingewiesen, damit Menschen sich darauf einstellen können.
Wir wollen keine (nicht-konsensuelle) verbale und physische Gewalt ausüben.
Ein respektvoller, wertschätzender, freundlicher Umgang miteinander ist gewünscht. Jegliche Gewalt, auch verbale Gewalt (z.B. Herabwürdigungen, Beleidigungen, Anschreien, Manipulation, Bedrohung, ...) gehören nicht ins Queere Zentrum.
Wichtig! Bei non-konsensueller, physischer Gewalt gibt es eine klare Struktur, wer die Polizei ruft und mit dieser spricht.
Wir gehen verantwortungsbewusst mit Verletzungen und Konflikten um.
Im Queeren Zentrum soll kein Platz für non-konsensuelle Gewalt sein. Hinweise auf Verletzungen und/oder Konflikte haben Vorrang.
Bei physischen Verletzungen (o.ä. Schnitte, Brüche etc.) rufen wir rechtzeitig die 112, wenn wir nicht selbst helfen können. Wenn wir eine physische Verletzung mit dem Inhalt des Erste-Hilfe-Koffers behandeln, melden wir der Hauptamtlichkeit, was wir dem Koffer in etwa entnommen haben, damit der Bestand wieder aufgefüllt werden kann.
Wenn Verletzungen, Missverständnisse oder Konflikte entstehen, bemühen wir uns zunächst darum, diese ohne das Einschalten des hauseigenen Sicherheitsdienst oder der Polizei zu lösen. Wenn wir darauf hingewiesen werden, dass wir andere Anwesende verletzt haben, hören wir aktiv zu und übernehmen Verantwortung für unsere Handlungen und Aussagen. Beim Umgang mit Verletzungen und/oder Konflikten kann eine Awarenessperson hilfreich sein.
Wir beachten Absprachen darüber, was im Raum bleibt, und was den Raum verlassen darf.
Auch beim Datenschutz sind Absprachen und Konsens wichtig.
Fotos machen wir nur nach Absprache mit allen Menschen, die darauf zu erkennen sind. Wenn die Fotos außerhalb des Raums gezeigt oder veröffentlicht werden, wird das abgesprochen. Nur wenn alle Menschen einverstanden sind, kann ein Foto veröffentlicht werden und dann auch nur in dem Rahmen, der abgesprochen wurde (z.B. landen Fotos, bei denen abgesprochen wurde, sie in eine Messenger-Gruppe zu schicken, nicht auch in Sozialen Medien).
Wir tragen keine Informationen weiter, die Menschen uns im Vertrauen erzählt haben. Wir erzählen nicht ohne Absprachen, wen wir im queeren Zentrum getroffen haben und welche Namen und Pronomen die Menschen dort benutzt haben, wenn wir die Menschen dadurch fremdouten könnten.
Wir geben keine Kontaktinformationen (z.B. Telefonnummern oder Social-Media-Namen von anderen Menschen) ungefragt weiter.
Wir bringen Tiere nur nach Absprache mit.
Das schließt auch Assistenz-Tiere mit ein. Wir beachten, dass Barrieren teilweise in Konflikt miteinander stehen. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb Menschen keine Tiere treffen können, wie zum Beispiel Ängste oder Allergien. Wenn ein Mensch ein Tier mitbringen muss oder möchte, muss das vorher abgesprochen werden. Wenn sich Tiere im Queeren Zentrum aufhalten, wird das vorher angekündigt.
Wir gehen verantwortungsbewusst mit minderjährigen Personen um.
Dabei stützen wir uns auf das Jugendschutzgesetz ebenso wie die UN-Kinderrechtskonvention. Das beinhaltet, dass wir minderjährigen Personen weder Alkohol, noch (e)Zigaretten oder andere Substanzen geben. Ebenso fördern wir keine sexuellen/romantischen Beziehungen zwischen voll- und minderjähigren Personen. Im Queeren Zentrum Kassel ist kein Platz für Grooming. Verantwortungsvoller und fürsorglicher Umgang mit minderjährigen Personen ist wichtig.
Für verschiedene Abendveranstaltungen gelten verschiedene Regelungen, was die Anwesenheit minderjähriger Personen anbelangt. Grundsätzlich gilt, wenn minderjährige Personen anwesend sind, dass keine Aufnahmen von diesen gemacht werden dürfen, ohne explizite, schriftliche Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten. Nicht jede Veranstaltung im Queeren Zentrum Kassel darf von minderjährigen Personen besucht werden.
Allgemein richtet sich das Queere Zentrum Kassel mit seinen Angeboten spezifisch an volljährige und mündige Personen. Wir sind kein genereller "ab 18 Jahre" Raum, aber zentrieren weder die Bedarfe von Kindern noch die von Jugendlichen explizit.
Bewusster Konsum
Im Queeren Zentrum dürfen keine illegalisierten Substanzen konsumiert werden. Das Queere Zentrum ist zudem ein rauchfreier Ort. Weder (e)Zigaretten, Joints, Shishas, Pfeifen noch Rauchwaren anderer Art (Räucherstäbchen z.B.) sind erlaubt. Diese beiden Aspekte sind wichtig, da wir bei Verstoß die Räumlichkeiten verlieren können. Das Queere Zentrum kann kein "Safer Use" Ort sein.
Alkohol wird im Queeren Zentrum nur nach Absprache konsumiert. Es ist zudem an der Eingangstür des Zentrums erkenntlich, ob aktuell in den Räumen Alkohol konsumiert wird.
Wir besuchen das Queere Zentrum nicht, wenn wir stark unter dem Einfluss bewusstseinsverändernder Substanzen stehen. Auch wenn wir unter dem (leichten) Einfluss von bewusstseinsverändernden Substanzen stehen, sind wir für unsere Handlungen und Aussagen verantwortlich.
Wir wollen möglichst diskriminierungsarm und diskriminierungskritisch miteinander umgehen.
Wir sind alle in einer diskriminierenden Gesellschaft sozialisiert. Sich damit auseinander zu setzen ist ein ständiger Prozess des Verlernens, der nie vollständig abgeschlossen ist. Wir wollen uns dessen bewusst sein und uns mit unseren eigenen Privilegien, Vorurteilen und Reflexen auseinandersetzen.
Im Umgang mit Diskriminierung beachten wir, dass Erklärungen keine Rechtfertigungen sind. Die Gründe dafür, weshalb Diskriminierung auftritt, sind also keine Rechtfertigung für das diskriminierende Verhalten. Außerdem sind Intentionen nicht das gleiche wie Wirkung - auch wenn Menschen gute Absichten haben, kann die Wirkung diskriminierend und verletzend sein.
Zwischen verschiedenen Diskriminierungsformen gibt es Verschränkungen. Viele Menschen sind von mehreren verschiedenen Formen von Diskriminierung betroffen. Zum Beispiel erfahren Schwarze Frauen Rassismus und Sexismus (hier wird auch von Misogynoir gesprochen) und trans* Frauen erfahren Sexismus und Transfeindlichkeit (dazu gibt es den Begriff Transmisogynie - diese Konzepte können zu Transmisogynoir erweitert werden).
Wir zweifeln die Diskriminierungserfahrungen von Menschen nicht an - das betrifft auch Diskriminierung, die innerhalb des Queeren Zentrums stattfinden. Wenn wir eine diskriminierende Situation beobachten, versuchen wir, uns zu solidarisieren. Das schließt ein, die betroffenen Menschen zu fragen, wie wir das am besten tun können.
Hier ist eine alphabetische und unvollständige Liste von Diskriminierungsformen:
Ableismus (Behindertenfeindlichkeit), Adultismus (Diskriminierung gegenüber jungen Personen), Altersdiskriminierung/ Ageismus, Antisemitismus, Antislawismus, Colorism (Abwertung von dark(er)-skinned Personen), Fettfeindlichkeit, Gadjérassismus (Rassismus gegenüber Sinti/ Sinti*zze & Roma/Rom*nja), Interfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit, Klassismus (Diskriminierung aufgrund des sozio-ökonomischen Status/ sozialen Stands), Lookismus, Misogynie (Frauen- & Femmefeindlichkeit), Misogynoir (Feindlichkeit gegen Schwarze Frauen und Femmes), Neokolonialismus, Queerfeindlichkeit, Rassismus, Sexarbeiter*innenfeindlichkeit, Sexismus, Transfeindlichkeit, Transmisogynie (Feindlichkeit gegen trans* Frauen), Xenophobie (Fremdenfeindlichkeit)...
Alle diese Formen von Diskriminierung kritisieren wir und wollen sie vermeiden.